Elektrotechnik

Die MFO und die Wechselstrom-Technologie

In den 80er Jahren des 19. Jahrhunderts tobte ein erbitterter und zum Teil polemisch geführter Streit um die Frage, welches Stromsystem besser geeignet sei, die Anforderungen der Zukunft zu erfüllen.

Einerseits war da der herkömmliche Gleichstrom, der ungefährlich war, aber nur über kurze Distanzen übertragen werden konnte. Andererseits war gerade die Wechselstrom-Technologie im Entstehen, die zwar etwas schwieriger in der Handhabung war, aber dafür theoretisch über grosse Distanzen übertragen werden konnte. Die prominentesten Exponenten dieses Streites waren Thomas Edison mit seiner General Electric (Gleichstrom) und George Westinghouse (Wechselstrom) und sein Ingenieur Nikola Tesla in den USA.

Dieser in der Fachwelt geführte Streit blockierte die Investitionen vieler Städte in die Elektrifizierung. Man befürchtete, viel Geld in ein System zu stecken, dass sich später als das falsche herausstellen könnte. Die Stadt Frankfurt wollte nach 10 Jahren ergebnisloser Diskussionen schliesslich Klarheit schaffen. Dem Vorschlag von Leopold Sonnemann (Herausgeber und Gründer der Frankfurter Zeitung) folgend sollte eine Internationale Elektrotechnische Ausstellung ein für alle mal Klarheit schaffen, welches Stromsystem zu bevorzugen sei. Der Ingenieur Oskar von Miller wurde mit der Organisation der Ausstellung beauftragt.

Von Miller suchte Partner, die bereit waren, die erste Wechselstrom-Kraftübertragung über lange Distanzen zu wagen. Von einem Kraftwerk in Lauffen am Neckar sollte der Strom 170 Kilometer nach Frankfurt zur Ausstellung geleitet werden. Doch er fand kein Unternehmen in Deutschland, dass sich auf dieses Wagnis einliess. Viele äusserten Bedenken, manche prophezeiten, dass diese Leitung in einem grossen Lichtbogen verglühen würde. Kritiker errechneten Wirkungsgrade von 4 bis 15 Prozent. Die Reichspostdirektion erwartete Störungen der Telegrafen- und Telefonleitungen. Viele Zeitgenossen fürchteten generell den hochgespannten Strom.

Schliesslich wandte sich von Miller verzweifelt an die MFO. Charles C. E. Brown war sofort begeistert, und P. E. Huber erkannte die grosse Bedeutung dieses Versuches. Man sagte von Miller zu. Erst jetzt, beeindruckt vom Engagement der Oerlikoner, erklärte sich auch die deutsche AEG bereit, mitzumachen, man teilte sich die Produktion der technischen Ausrüstung.

Charles Brown liess eine 10 Kilometer lange Probeleitung auf dem Gelände der MFO verlegen und man machte mehrere Versuche zu der Beeinflussung von Telefonleitungen durch den hochgespannten Strom. Im Januar 1891 fanden sich Vertreter des deutschen Reichspost- und Telegrafenamtes, der preussischen, badischen und württembergischen Eisenbahnverwaltungen, der Frankfurter Ausstellungskommission und einige Schweizer Fachmänner in Oerlikon ein. Die Anlage wurde mit damals unvorstellbaren 30’000 Volt betrieben und bewies ohne Probleme die Brauchbarkeit der Hochspannungskraftübertragung.

Im August 1891 dann liefen die Generatoren in Lauffen an und in Frankfurt erleuchtete der gemeinsame Ausstellungsstand von MFO und AEG und eine elektrische Pumpe betrieb einen künstlichen Wasserfall als Symbol für die 170 Kilometer entfernte Kraftquelle. Das Experiment glückte und die Anlage arbeitete mit einem erstaunlich guten Wirkungsgrad von 75 Prozent. Der Versuch wurde wissenschaftlich ausgewertet und publizistisch aufbereitet – das Engagement der Maschinenfabrik Oerlikon hatte schliesslich zu einem Ende des «Kriegs der Systeme» geführt und der Siegeszug des Wechselstroms war nicht mehr aufzuhalten.

Die Schweiz wurde sich ihres «weissen Goldes» bewusst, der Wasserkraft. Die Alpen boten diese im Überfluss, nur konnte man die Energie, wo sie entstand, bisher nicht gebrauchen. Die Kraftübertragung mit Gleichstromsystemen war nur auf wenige Kilometer praktikabel. Mit den Wechselstromgeneratoren und den Transformatoren, welche die Spannung des Stromes für die Weiterleitung erhöhen und beim Konsumenten wieder verringern, konnte man nun die Wasserkraft zur Stromgewinnung nutzen und die Energie in die Städte und Betriebe leiten. Bereits im ersten Jahr nach der Ausstellung in Frankfurt hatte die MFO 100 neue Anlagen zur Kraftübertragung bauen können. Jetzt, mit den positiven Ergebnissen des Versuchs, entschied sich auch der Streit in den USA zugunsten von Westinghouse, der 1893 begann, das Kraftwerk an den Niagara Falls zu bauen, das seinen Wechselstrom bis nach New York lieferte.

Die MFO hat für die Nutzung der Wechselstromtechnologie bahnbrechende Arbeiten geleistet.

«Ich werde nie vergessen, in welch opferwilliger und weitblickender Weise Sie die wichtige Kraftübertragung nach Frankfurt unterstützten, als das geplante Unternehmen fast verloren schien.»
Oskar von Miller an P. E. Huber, 1915

Die MFO und der Gyro-Antrieb

Die MFO experimentierte auch mit anderen Spezialanwendungen, z.B. einem elektrischen Antrieb ohne Stromleitung und ohne Akku. Ein Verkehrsmittel ohne Abgase und ohne Lärm, unabhängig von Schienen oder Oberleitungen!

In den 1950er Jahren entwickelte die MFO den Gyroantrieb. Dabei wird ein 1,5 Tonnen schwerer Kreisel – der Gyro – an einer Ladestation in Rotation versetzt. Der drehende Gyro treibt dann einen Generator an, der den Strom für den Elektromotor liefert. Der Gyrobus fährt 20 bis 30 Minuten mit der im Gyro gespeicherten Energie.

Insgesamt 19 Gyrobusse sind Ende der 50er Jahre in der Schweiz, in Belgien und in Belgisch-Kongo im Einsatz. Auch im Bergbau werden Gyrotraktoren verwendet. In schlecht durchlüfteten Stollen sind sie gegenüber Dieseltraktoren im Vorteil.

Ein Gyrotraktor befindet sich noch im Bergwerk Gonzen im Einsatz: